Guten Morgen, Lukas! Deine Prüfung zum ersten Dan liegt jetzt ein paar Tage zurück. Herzliche Gratulation nochmals … welche Gedanken gehen dir durch den Kopf, wenn du an die Prüfung denkst?
Guten Morgen. Danke für die Gratulation.
Die Prüfung war ganz okay für mich. Ich habe im Zuge der Prüfung alle 33 Trainingsstunden an 9 Tagen am Lehrgang von Stéphane Benedetti besucht. Das war ein deutlich höheres Pensum als ich gewohnt bin. Nach den ersten Stunden hatte ich allerdings Sorgen um mein Knie. Vor 2 Jahren bin ich zu viel in Seizaposition gesessen und danach stellte man per Computertomografie fest, dass mein Meniskus teilweise eingerissen ist. Das äußert sich durch ziehenden Schmerz, wenn ich viel in Seiza sitze. Nach den ersten Stunden habe ich deshalb absichtlich Seiza möglichst reduziert, damit ich an der Prüfung gegen Ende des Lehrgangs teilnehmen kann. Das hat geklappt und bei der Prüfung bereitete mir deshalb mein Knie keine Probleme.
Auf der anderen Seite lernte ich im Kontext des Lehrgangs viele technische Details und konnte über meine Ansätze reflektieren. Ich denke hierbei konnte ich einiges mitnehmen und im Speziellen bin ich mit meinem Iriminage nun zufriedener. Wichtig ist mir auch, dass man bei Aikidō mit vielen verschiedenen Leuten trainiert, da jeder Uke anders reagiert. Ein Lehrgang bzw. eine Prüfung mit einem unbekannten Uke ist hierbei stets eine wichtige Erfahrung.
Wie hast du dich auf die Prüfung vorbereitet?
Die Probleme mit dem Knie waren mir vorher schon bekannt. Deshalb habe ich mir ein paar Übungen überlegt, die die Muskulatur rund um den Meniskus stärken sollten. Im Nachhinein betrachtet denke ich waren sie nicht effektiv und ich sollte mir noch Feedback von Physiotherapeuten einholen.
Auf körperlicher Ebene ist Kondition hier wichtig, wobei ich hierbei selten Probleme habe. Was ich bei früheren Kyū-Prüfungen gemerkt habe ist, dass das wiederholte Aufstehen als Uke auf Dauer anstrengend sein kann. Meine Oberkörpermuskulatur ist recht schwach. Darum sind Liegestützen eine gute Übung für mich, damit ich mich von einer Fixierung leicht aufraffen kann. Zusammengefasst sind regelmäßige Knie- und Kraftübungen 2 Wochen vor der Prüfung meine körperliche Vorbereitung gewesen.
Auf geistiger Ebene habe ich die 5 Tage vor der Prüfung die Techniken des 1. Kyū aus dem Prüfungsprogramm visualisiert. Dadurch erinnert man sich an die Bewegungsabläufe und Fehler, die man in der Vergangenheit gemacht hat. Davon bereitete mir nur der Koshinage Sorgen, aber den konnte ich dann in akzeptabler Form liefern. Letztendlich weiß man auch nicht genau, was zur Prüfung kommt.
Warst du nervös?
Stress oder Nervosität resultiert immer, wenn man Abläufe hat, die man nicht gewohnt ist. Auf die Techniken war ich meiner Ansicht nach gut vorbereitet (danke an meine Trainer!), aber die Etiquette macht mich vor Prüfungen immer nervös. Sobald die Techniken starteten, war sämtliche Nervosität verloren.
Was würdest du im Nachhinein betrachtet anders machen? Was würdest du jemanden raten, der die Prüfung zum ersten Dan noch vor sich hat?
Ich sage ganz selbstbewusst, dass ich nichts anders gemacht hätte.
Meine Trainer haben mich gut vorbereitet und für mich war die Frage, inwiefern ich mich von den Gewohnheiten meiner Vergangenheit verabschiede und mich auf die Lehre des Prüfers einlasse. Im Endeffekt braucht man einerseits die Sicherheit und Routine der Vergangenheit, andererseits kann ich gut nachvollziehen, dass jeder Lehrer/Prüfer in den Details unterschiedliches Verständnis entwickelt hat und einen unterschiedliche Fokus setzt. Diese Worte stellen das etwas konträr gegenüber, aber im Endeffekt zeigt man die Bereitschaft für die Graduierung auch darin, sich an andere Ansätze, Angriffe und Ukes anpassen zu können. Daher ist das für die Aikidō-Community im Gesamten, glaube ich, kein Problem. Flexibilität ist wichtig. Meine Trainer betonen auch zurecht, dass eine Prüfung kein Fläche für Experimente sein sollte. Selbst wenn man flexibel sein muss, muss man sicher in der Durchführung sein. Daher ist ein guter Mittelweg zwischen all diesen Aspekten wichtig und ich glaube ihn diesmal gefunden zu haben.
Aber ich empfehle jedem Dankandidaten sich frühzeitig eine Strategie zurechtzulegen, wie er die technische, körperliche und mentale Leistung erreichen kann, die er sich für seine Prüfung wünscht. Und diese Strategie muss man natürlich auch mit Disziplin verfolgen. Mein zweiter Ratschlag resultiert aus dem Kernthema des vorigen Absatzes: Wenn die Danprüfung im Zuge eines Lehrgangs/Seminars stattfindet, sollte man möglichst viel davon besuchen und sich darauf einlassen, um auch hier noch viel mitzunehmen und sich weiterzuentwickeln.
Die Prüfung zum Shodan und die damit verbundene Erlangung des schwarzen Gürtels ist ja für viele Kampfkünstler das erste große Ziel. Wer’s soweit geschafft hat, hat schon Einiges an Geduld und Konsequenz im Training aufbringen müssen. Trotzdem bedeutet ja „sho“ so etwas wie „Beginn, Anfang“. Wie denkst du darüber?
Es passt gut zu meiner Lebensphilosophie, dass das Lernen bzw. das Studium ein lebenslanger Prozess ist und man dies niemals aufgeben darf. Man muss stets neugierig bleiben und man sollte die Bereiche finden in denen man sich weiterentwickeln möchte.
Trotzdem ist es psychologisch motivierend, dass man den Lernprozess nicht als rein flüssigen Prozess begreift, sondern ihn auch mit Abstufungen sieht. Die Trennung in Kyū/Dan ist hierbei natürlich signifikant. Mit meinem Hintergrund in den Formalwissenschaften arbeite ich oft mit Axiomen aus denen man dann Aussagen ableiten kann. In Aikidō höre ich oft Aussagen bin aber weit davon entfernt, dass ich die Axiome davon herausarbeiten kann. Insofern sehe ich mir wirklich erst am Anfang. Vielleicht habe ich nur schon gelernt, wie man die Arbeitswerkzeuge bedient.
Achja, ein weiteres Ziel habe ich auch noch: Lernen, Aikidōinterviews kürzer zu beantworten 😉
Lukas, vielen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen 😉 und weiterhin viel Freude mit Aikido!